Autor: venturer
Parallel & Konkordant
Parallel & Konkordant
Ben Gyula Fodor & Dorothee Frank
Clemens Fürtler & Michaela Seiser
Inge Graf & Walter Zyx
Karin Pliem & Lucas Gehrmann
Eva Schlegel & Carl Pruscha
Rudi Stanzl & Andrea Schurian
Viktoria Tremmel & Kurt Kladler
Hana Usui & Marcello Farabegoli
Künstler- & Vermittler/innen in symbiotischen Lebensbeziehungen
privat & publik
Ein kuratiertes project statement
von
Marcello Farabegoli und
Lucas Gehrmann
Let’s talk about you and me
Statement GRAF+ZYX
Die berufliche Existenz ist wie die private: ein Rollenspiel.
Die Macht des Zufalls wird unterschätzt, die Zielgenauigkeit bei der Auswahl der eigenen Rolle ist illusionär, es ist also keine gute Idee, sich auf eine einzige zu konzentrieren, will man geistig gesund bleiben.
Man schaut sich einschlägig um und sofort macht es Spaß, dem schablonenhaften Regelwerk des Kunstbetriebs etwas giftig auf den Schlips zu steigen: Denn es gibt sie ja, die typischen Künstler*innen mit ihren läppischen Allüren: um nichts besser als die typischen Beamte*innen in ihrer Einfalt, alles Karikaturen ihrer selbst, Witzfiguren eigentlich, es gibt sie alle, diese typischen Erleuchteten und Sendungsbewussten, diese typischen Etablierten, diese typischen Alternativen, diese typischen Kuratoren*innen und Kunstpäpst*innen, diese typischen Sammler*innen und Freundevereinsmitglieder, diese typischen Schriftsteller*innen, diese typischen Galeristen*innen, man erkennt auf den ersten Blick an Gesichtsausdruck und Outfit, auf das erste Hinhören am Jargon, was gespielt wird: peinlich – Zombies, assimiliert und austauschbar durch ihresgleichen.
So wollen wir nicht enden, also zerfleddern wir die eigene Identität.
Unsere Methode ist wie unser Stil: zerrissen.
In der Ambivalenz der eigenen Avatare findet sich die Harmonie des Ganzen.
Der Kunstmarkt reagiert nervös auf schwer Identifizierbares?
Was für andere Katastrophe ist, ist für uns gelungen, für andere mag es Belastung sein, für uns ist es Lust: dass man sich nämlich mit uns nicht auskennt, genauso wenig wie wir mit uns selbst: Was jetzt? Alles und nichts!
Diese Unberechenbarkeit ist allerdings nicht Strategie und nicht Fake, sondern Disposition. Wir werden nur auf diesem Weg glücklich und sterben nicht an Langeweile.
Und man ahnt es: Künstler*in und Kurator*in und Kunstvermittler*in sind nur drei Splitter von vielen, gleichermaßen verantwortungslos-subjektiv ausgelebt.
Und es gibt nichts Verkehrteres, als (auch) nur einen davon ernst oder nicht ernst zu nehmen.
Und es gibt nichts Spannenderes, als täglich neue auszutesten.
Wir arbeiten daran. Und aus der Szene picken wir uns die Rosinen heraus, denn es gibt sie ja nicht zu knapp – sogar im Kunstbetrieb.
Würdigungspreis Niederösterreich
NÖ Kulturpreise 2016
Würdigungspreis 2016 in der Sparte Medienkunst an GRAF+ZYX
[Medienkunst: künstlerisches Video, Kunst im elektronischen Raum und die Grenzen der Fachdisziplinen überschreitende Kunst]
Verleihung durch Landeshauptmann Erwin Pröll im Festspielhaus St. Pölten am 4. November 2016
«Die Ästhetisierung des Alltags»
über die hybriden Welten von GRAF+ZYX
Andrea Sodomka
Der Kosmos von GRAF+ZYX setzt sich aus komplexen Programmen mit ästhetischer und inhaltlicher Sprengkraft zusammen. Sie erfinden neue Räume und gestalten Situationen mit den Mitteln der Projekt- und Medienkunst. Ihre Arbeiten sind vorwiegend interdisziplinär geprägt: Raum und Skulptur verbinden sich mit Musik, Video, Fotografie und Grafik. Elektrodynamisches Raumdesign, Laser- und Video objekte, Mixed-Media-Installationen, Musik- und Videoprogramme, Netzkunst, elektronische Bühnenbilder und experimentelle Dokumentationen finden sich in ihrem Repertoire.
Sampling, Scanning, Montage: Überlagern, vernetzen, reduzieren, zerstören und wieder neu zusammenfügen sind ihre Methoden. An realen Objekten und Situationen und im virtuellen Raum angewandt, entstehen daraus konstruierte Welten, deren künstlerische Wurzeln im Dadaismus, im Futurismus, in der Pop Art, in der elektronischen Musik der 1960erund 1970er-Jahre, dem Freejazz und der experimentellen Musik zu finden sind.
Eine hybride Mischung aus Konstruktion, Bild, Klang und Stimme. Poetische Schnittstellen zwischen Wahrnehmbarem und Imaginärem, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Eine «Ästhetisierung des Alltags durch künstlerische Eingriffe» nennen sie ihre Vorgangsweise.
GRAF+ZYX – das sind Inge Graf und Walter Zyx – leben und arbeiten freischaffend in Wien und Niederösterreich. Inge Graf studierte Politikwissenschaften und Publizistik und absolvierte die Hochschule für angewandte Kunst Wien. Der musikalische Werdegang von Walter Zyx führte ihn von der Ausbildung in klassischer Violine über die indische Musik bis zur elektronischen Musik. Schon in den frühen 1970er- Jahren begann ihre Kooperation. Seit 1980 realisieren sie ausschließlich gemeinsame Projekte unter dem Namen GRAF+ZYX: «Mediensynthetische Programme».
Als Pioniere der österreichischen Medienkunst sollte man die beiden Kunstschaffenden nicht nur aufgrund ihrer künstlerischen Projekte bezeichnen, sondern auch aufgrund ihres Engagements für die Medienkunstszene, für ihre Vernetzungskompetenz und für ihre experimentell-kuratorische Arbeit, die eng mit ihren eigenen Konzepten und ihrer Interpretation von Gestaltung verbunden sind. Als Archivare österreichischer Medienkunst initiieren und betreuen die beiden Projekte wie «Nomaden der Zeit», eine durch Künstlerinnen und Künstler per Daten-Upload aktualisierte Datenbank zur Medienkunst. Als Initiatoren und Gestaltende zahlreicher Programme zur österreichischen Medienkunst geben die Kunstschaffenden Videoeditionen heraus – etwa «Infermental 9 – Herz von Europa» (1989) mit Beiträgen aus 15 Ländern. GRAF+ZYX konzipieren und realisieren Ausstellungen wie «X-tended – von Menschen, Maschinen, Avataren und anderen interessanten Rechenoperationen», und sie veranstalten Online-Wettbewerbe wie «visionXsound», einen Experimental-Musik-Video-Contest.
Im Herbst 2011 eröffneten GRAF+ZYX in Neulengbach ein Museum der besonderen Art, eine «Kunstmaschine», einen Projektraum für interdisziplinäre Produktionen und einen Präsentationsraum der trans- und multimedialen Kunst: den TANK 203.3040.AT.
Anlässlich der Niederösterreichischen Tage der offenen Ateliers zeigten sie zur Eröffnung dieses neuen Kunstraums, neben eigenen Grafiken, ein Screening-Programm österreichischer Medienkunst unter dem Titel «Living in Disaster – Das Ordnungsprinzip von Kunst». Seither veranstalten sie in Neulengbach im TANK 203.3040.AT regelmäßig Ausstellungen und Präsentationen.
Der TANK 203.3040.AT wird als Ausstellungs- und Kunstvermittlungsraum von der GrafZyxFoundation betrieben, die auch die wissenschaftliche und dokumentarische Aufarbeitung und Präsentation des Werks interdisziplinär, trans- und multimedial tätiger Künstlerinnen und Künstler betreut und fördert.
Die zahlreichen Programme von GRAF+ZYX, ihre künstlerische archivarische Vermittlungs- und Netzwerktätigkeit haben mit dem TANK 203.3040.AT einen idealen Ort gefunden.
Im transmedialen Kosmos von GRAF+ZYX ist ein Ankerplatz im Realraum, mitten in Niederösterreich, für die von ihnen erfundenen und gestalteten «elektrodynamischen» Raumkonstruktionen entstanden.
DADA negligé: premiere
DADA negligé
DADA negligé
Der DADA ist ein alter Hut, das war er schon immer
Der DADA-Geist war seit je, auch lang vor DADA, ein Grundnahrungsmittel für alle innovativen Künstler_innen – nur hatte es vorher niemand so präzise (nicht) auf den Punkt gebracht.
Ist DADA ein Pferd?
Ist DADA ein Huhn?
Ist DADA ein alter Hut?
Nichts von allem.
Aber alles von nichts.
Dem DADA neue Wäsche!
Elektronisches Environment 2016
Credits:
Video: Computeranimation, Grafik, Fotografie, Videoperformance, Kamera, Schnitt, Produktion: GRAF+ZYX 1977–2016
Musik: Komposition, Arrangement, Text, Instrumente, Gesang, Produktion: GRAF+ZYX 1972–2015
Fotocredits: (C) GRAF+ZYX / Bildrecht
Der DADA ist ein alter Hut, das war er schon immer
Der DADA-Geist war seit je, auch lang vor DADA, ein Grundnahrungsmittel für alle innovativen Künstler_innen – nur hatte es vorher niemand so präzise (nicht) auf den Punkt gebracht.
Denn er hängt eng mit der uralten Frage zusammen, wie und ob überhaupt wir in der Lage sind, die vermeintlich reale Welt auch nur annähernd objektiv zu erfassen und zu erleben.
Und ob Eindeutigkeiten überhaupt je begründbar sind.
Und ob zwischenmenschliche Kommunikation überhaupt möglich ist oder nur eine überlebensstrategische Illusion.
Und ob logisches Denken überhaupt für irgendetwas taugt und Zufallsentscheidungen nicht weit kreativere Lösungsansätze für sämtliche Problemstellungen bieten.
Jedenfalls: Ohne eine Prise DADA ist Kunst keine Kunst.
DADA ist nutzlos. DADA ist sinnlos.
Deshalb kann DADA Kunst und deshalb kann DADA Politik.
Und zwar nicht durch Codierung konkreter politischer Forderungen oder Modelle, die in der Kunst überhaupt nichts verloren haben, weil politische Statements Kunst so wenig wie andere Verwässerungen brauchen, sondern durch die Bewusstmachung der Absurdität von gesellschaftlichen Übereinkünften und Regelwerken.
Das DADA-Gen manifestiert sich also schon immer bei allen guten Künstler_innen, weil ihnen ihre Eigenständigkeit über breite gesellschaftliche Akzeptanz geht; zumindest in Form von Auflehnungsäußerungen gegen tradierte ästhetische und inhaltliche Regeln in Gesellschaft und insbesondere in Kulturbetrieb und Kunstmarkt.
Wir nehmen uns selbst nicht ernst, verlangen aber selbstverständlich von anderen, uns ernst zu nehmen.
Und überhaupt leben wir die Egalität von Gegensätzen:
DADA ist tot. DADA ist ewig.
Denn wenn das Eine stimmt, stimmt auch sein Gegenteil, auch das Gegenteil von dem, was wir hier schreiben, oder auch nicht.
DADA negligé – dem DADA neue Wäsche
DADA negligé ist zunächst spontan und ohne theoretische Hintergedanken entstanden, aber stimmige Kunst braucht stimmige Konzepte (schon Kunsttheorie und -vermittlung zuliebe), die natürlich auch im Nachhinein lieferbar sind.
Unser Zugang zum Thema könnte also gewesen sein, dass der DADA-Geist immer wesentliche Inputs in künstlerische Arbeit liefern wird – hoffentlich, denn sonst ist es um die Kunst geschehen.
Nicht mehr aktuell wäre allerdings die Formensprache des DADA der 10er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, und so hätten wir mit unserer eigenen Übersetzung dem DADA einfach erneuernde Dessous verpasst.
Und immer gilt: Wir pfeifen auf die Realität, wenn sie sich aufführt wie unsere Gegenwart.













